Was eine Villa ist, meint jeder zu wissen. Doch beim Nachschlagen des Stichworts „Villa“ erweist sich der Begriff als komplex: Worin unterscheidet sich eine Villa von einem Landhaus, und was ist eine Mietsetagenvilla?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt der Leser folgende Belehrung: „Villa, Landhaus. Die Villen der reichen Römer waren in der Kaiserzeit mit verschwenderischer Pracht ausgestattet, so die Villa des Pilinius…, und die großartige Villa des Kaisers hadrian zu Tivoli, von der ausgedehnte Ruinen vorhanden sind… Lag das Haus dicht vor dem Thore einer Stadt, so hieß sie Villa suburbana… die Italiener der neueren Zeit haben Name und Sache aus dem Alterthum beibehalten…
Besonders zu erwähnen ist Paladios Rotonda bei Vincenza, welche schon im 17. Jahrh. namentlich in England, ferner auch in Frankreich (Schloß Marly) und Holland nachgeahmt wurde und bis in das 19. Jahrh. als Muster einer schönheitlich durchgebildeten Villa galt. Mit der im 18. Jahrhundert neu belebten Freude an der Natur kam auch der Villenbau auf, namentlich die kleineren toscan. Anlagen wurden studiert und als Vorbilder für moderne Villen behandelt. Die vor 1860 entstandenen Villen in Potsdam und Berlin suchten antike Form mit toscan Unsymmetrie zu verbinden. Sempers Villa Rosa in Dresden bildete den Frührenaissancetypus der italienischen Villa für moderne Verhältnisse um. Seitdem haben alle größeren Städte ganze Villenstadtteile erhalten, und
Man versteht unter Villa ein nach einem einheitlichen künstlerischen Entwurf erbautes allseitig freiliegendes, für eine oder höchstens zwei Familien bestimmtes Landhaus von mittleren Größenverhältnissen nebst dazugehörigen kunstgärtnerischen Anlagen.
Dieser Bestimmung des Brockhaus von 1903 ist bis heute nur wenig hinzuzufügen. Wie in der Antike und in der Renaissance war der Begriff der Villa auch im 19. Jahrhundert mit der Vorstellung vom Leben auf dem Land verbunden. In einer Villa zu wohnen bedeutete, daß man nicht in einem Stadthaus lebte, dessen Nutzung sich viele Familien, oft unterschiedlicher sozialer Schichten teilten.
Die Villa war im Jahrhundert nach der Französichen Revolution, dem Jahrundert des Bürgertums, eine wichtige Bauaufgabe. Sie repräsentierte denjenigen Haustyp, der dem Weltbild des wohlhabenden Bürgers am meisten entsprach. Anders als noch das barocke Bürgerhaus oder gar das Bauernhaus, in denen Wohnen und Arbeiten unter einem Dach geschahen, war die Villa ein privater Ort, aus dem die Erwerbswelt ausgeschlossen blieb.
Doch die Villa war auch die Stätte der Selbstdarstellung des gesellschaftlichen Ranges, hier entfaltete sich eine am Adel orientierte Wohnkultur, die man sich etwas kosten ließ. Denn das Rennomieren und Repräsentieren gehörte zu den unabänderlichen Zwängen und unabweisbaren gesellschaftlichen Verpflichtungen, wollte man unter seinesgleichen bestehen. Insofern hatte die Villa durchaus eine Beziehung zur Berufswelt ihres Besitzers, denn die sorgfältige Plege des Gesellschaftslebens war eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des sozialen und gesellschaftlichen Beziehungsgeflechts
Auszug aus Volker Helas „Villen / Villas in Dresden“ 1991 im Verlag Benedikt Taschen